Installation und Präsens-Performance mit Besucher*innen Interaktion von Josephine Frydetzki

„Teile Deine Wunde“

Historische Halle Hamburger Bahnhof Berlin
Projektbeschreibung:

„Teile Deine Wunde“ ist eine begehbare Installation, durch die die Besucher*innen eine spirituelle Reise erleben, die gleichzeitig Therapie und Heilung anbietet. Drei Zelte aus dunklem Filz stehen im Ausstellungsraum und sind mit Gängen verbunden. Mit dem Betreten des ersten Zeltes, beginnt die Reise mit einem Klangbad und führt durch vier Phasen, in denen die Besucher*innen in Kontakt mit der Künstlerin und anderen Performern treten. Die Besucher*innen nehmen ihre Sorgen auf und hören sich im Austausch die Sorgen von anderen Besucher*innen an. Am Ende erzeugen sie Strom, um die Aufnahmen selbstständig zu löschen.

Die Ausstellung „Teile Deine Wunde“ ist eine Antwort auf Joseph Beuys Installation „zeige deine Wunde“, aus dem Jahr 1976. Beuys Installation thematisiert im wesentlichen Therapie und Heilung, sowie ein neuzeitliches Memento mori, das auf Krankheit, Schwäche, Alter und Sterblichkeit verweist. Beuys betrachtete den Raum als „Krankenzimmer“, in dem der Betrachter mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert wird, indem er „seine Wunde“ offenbart und dabei gleichzeitig Heilung erfährt.

Statement der Künstlerin:
„Teile Deine Wunde“ ist der Versuch diese Idee von Joseph Beuys in das Jahr 2020 zu holen. Beuys hat gesagt: „Was soll Kunst, wenn nichts dabei heraus kommt?“
Ich finde dieser Anspruch an Kunst gilt heute mehr denn je. Unsere Gesellschaft verändert sich einer Geschwindigkeit, die kaum Zeit zum Verarbeiten lässt. Die Installation soll einen Moment des Zurücktretens ermöglich, um aus dem Fluss des Lebens aufzutauchen und feststellen zu können wo man selbst gerade steht und zu spüren in welchem Zustand die Gesellschaft ist.

„Teile deine Wunde“ ist meine Version eines modernen, schamanistischen Intitiationsrituals. Ein Übergang, eine Reise, die daran erinnert, dass wir alle zusammen gehören. Durch das Teilen der Sorgen und das Löschen am Ende der Installation wird ein symbolischer Akt der Heilung vollzogen, indem die Wunden des Einzelnen in ein großes Ganzes übergehen.
Am Ende sollen Teile der Austellung verkauft werden, um aus dem Erlös Bäume pflanzen zu können. So fließen diese menschlichen Bemühungen zum Teil zurück in die Natur, die durch unsere wachsende Vernetzung immer mehr zerstört wird.



Die Reise:

Zelt 1 - Lass Dich fallen!

Im ersten Zelt stehen drei Klangliegen, an denen jeweils zwei Spieler auf die Besucher*innen warten. Die Klangliege ist das bekannteste in der Musik- und Klangtherapie eingesetzte Körperinstrument aus der Monochordfamilie. Der vor dem Instrument sitzende Spieler streicht mit den Fingern über die Saiten, die sich auf der Unterseite des Korpus befinden. Die Schwerkraft des auf dem Instrument liegenden menschlichen Körpers begünstigt die Übertragung besonders tiefer Schwingungen. Streichen ein oder zwei Spieler gemeinsam über die gesamte Spielebene, so entsteht ein wunderbar verschmelzender Mischklang von geradezu „ozeanischer“ Qualität. Der Mensch erfährt ein üppiges Klangbad, eingehüllt in das feine Obertonspektrum der hohen Töne. Die Vibration insbesondere im Tiefbassbereich ist körperlich sehr intensiv spürbar. Man vergisst Zeit und Raum. Es ist ein Weg im „Jetzt" anzukommen oder einfach nur zu entspannen.

Nach dem 10-15 minütigem Klangbad, werden die Besucher*innen von den Spielern gestisch aufgefordert einzeln durch den Gang in Zelt Nummer 2 zu gehen.

Zelt 2 - Teile Deine Wunde!
Dieses Zelt ist durch einen weichen Wand aus Stoff geteilt. Auf dem Boden ist ein Kreis. Position 1 steht da drauf. Etwas weiter rechts steht ein Beichtstuhl. Position 2 weist ein Pfeil auf dem Boden darauf hin.

An der ersten Position werden die Besucher*innen umarmt. An Postion 1 stülpen sich längliche Säcke aus der Stoffwand heraus, die von der anderen Seite durch die Performer*innen gefüllt werden, sodass eine anonyme Umarmung möglich wird. Die Performer lösen die Umarmung, sobald der Impuls von den Besucher*innen ausgeht und sie sich herauswinden. Dann folgt die Aufforderung, dass sie in den Beichtstuhl gehen soll und von ihren Sorgen erzählen sollen. Im Beichtstuhl ist eine Sanduhr. Die wird durch das Öffnen der Tür gedreht und beginnt abzulaufen, sodass maximal 5 Minuten Sorgen erzählt werden können. Dort wo der Pfarrer normalerweise sitzt, steht ein Mikrophon und zeichnet das Gesagte auf.
Zelt 3 - Zuhören


Im dritten Zelt hängt ein Kopfhörer von der Decke, vor einem Display. Sobald die Kopfhörer aufgesetzt werden, spielt die Aufnahme eines anderen Besuchers aus dem Beichtstuhl von Zelt 2 ab. Der Text erscheint in Hexadezimalcode und wird im Moment des Abspielens zu Nullen.
Phase 3 - Auflösung

Hier wartet ein gigantischer Bottich voller Weintrauben. Die Besucher*innen werden nun aufgefordert den Saft aus den Trauben zu treten. Am Rand ist ein Display zu sehen mit dem Textcode aus dem letzten Zelt. Mit jedem Tritt auf die Weintrauben, verfärben sich die Zahlen und Buchstaben rot, bis sie mit dem weinroten Hintergrund der Schrift verschmelzen und schließlich verschwunden sind. Am Schluss steht: Löschung vollständig! Vielen Dank!
Danach wäscht die Künstlerin die Füße der Besucher*innen.
Die ganze Installation wird 4 Wochen laufen, 5 Tage die Woche in Anwesenheit der Künstlerin, einem Performer, Techniker und Sechs Spieler an den Klangliegen.
Dokumentation:
Der Saft aus den Trauben läuft durch ein transparentes Rohrsystem, was durch die gesamte Halle verläuft und alle drei Zelte mietender verbindet. Der rote Saft, wie Blut in den Adern. Kleine Rotoren darin beginnen sich zu drehen, sobald ein(e) Besucher*in beginnt auf die Trauben zu stampfen.

Dieser Saft fließt Abend für Abend in einen gigantischen Tank, der am Ende der Halle steht. Auf dem Tank steht „Weinen 2020“. Darin entsteht aus dem verunreinigtem Traubensaft ein ungenießbarer Wein, der am Ende der 4 wöchigen Performance auf Flaschen gezogen wird. Dieser ungenießbare Wein, wird „Weinen 2020“ genannt und im Anschluss versteigert. Aus den Filzzelten werden im Anschluss der Installation Mäntel und Taschen genäht in Kooperation mit Designern. Diese Objekte werden ebenfalls verkauft und vom Erlös werden Bäume gepflanzt.

Dauer der Installtion:

Die Installation einen Monat an 5 Tagen die Woche für jeweils 8 Stunden laufen. Die Künstlerin und die Performer sind die ganze Zeit anwesend. In der Installation können 7 Besucher*innen gleichzeitig sein. Im Takt von 5 Minuten können neue Besucher*innen die Installation betreten. Der Einlass wird durch die Spieler der Klangliegen gestaltet. So einsteht ein konstanter Bewegungsfluss durch die Ausstellung hindurch.
back to the home page